Portrait – Der Puppenspieler vom Bodensee

Szene aus "Schwanensee"

„Meine erste ‚richtige‘ Marionette baute ich mit 13 Jahren bei Oskar Paul, dem künstlerischen Leiter des Tölzer Marionettentheaters.“ erzählt Bernhard Leismüller. „Das war 1990. Er bot damals Baukurse über die VHS an. Ich baute Papageno und Papagena. Oskar Paul war und ist mein großes Vorbild. Seine Kreativität und Darstellungsart sind noch heute eine große Inspiration für meine Arbeit.“

Manchmal ist ein Lebenspfad vorgezeichnet. Die Dinge fallen am Ende auch ohne ausgeklügelten Plan ins rechte Lot. Das heißt aber nicht, dass nicht etliche Hürden zu überwinden gewesen wären auf Bernhard Leismüllers zielstrebigem Weg vom engagierten Akteur am Bad Tölzer Puppentheater in frühen Kindertagen zum Initiator, Leiter, Regisseur und Choreographen der Lindauer Marionettenoper. Puppenspieler zu sein ist unbestritten seine Berufung. Es macht ihn glücklich, sagt er. Aber die Kunst, lebendige, ausdrucksstarke Marionetten zu bauen, fußt eindeutig auf einer großen Begabung und einem zuverlässig sprudelnden Quell an Kreativität. Doch ohne eine gute Portion Ausdauer und die Leidenschaft für jedes dieser Gewerke wäre der Ausgang möglicherweise ein anderer gewesen.

Wenn Kinder aus Pappkarton Theater bauen, fantasievolle Kulissen malen, Puppen basteln, kühne Dramaturgien aushecken und – quasi in Personalunion – virtuos jedem einzelnen Darsteller reihum ihre charakteristische Stimme verleihen, ist das so außergewöhnlich nicht. In der Regel lässt die Begeisterung rasch nach und der experimentierfreudige Nachwuchs widmet sich nun verstärkt der schillernden Zukunft eines heldenhaften Feuerwehrmannes oder rasanten Lokomotivführers. Aber auch diese Ambitionen verfliegen meist. Bernhard Leismüller blieb seinem Kindheitstraum treu und setzte ihn geduldig Stück für Stück in die Realität um.

Ein prägendes Schlüsselerlebnis: „Die Entführung aus dem Serail“

„Zum 11. Geburtstag habe ich von meiner Mutter eine Eintrittskarte für ‚Die Entführung aus dem Serail’ von Mozart im Tölzer Marionettentheater geschenkt bekommen. Die Kombination aus Oper und Marionette kannte ich noch nicht, und sie hat mich sofort begeistert.“

Passiv zuzuschauen reichte nun nicht mehr, aktives Mitglied im Ensemble wollte er werden! Viel zu jung sei er dafür, sagte man ihm. Der Ausfall eines gesetzten Spielers ermöglichte den ersehnten Einsatz aber doch, wenn auch nicht als einer der Hauptakteure. Von da an wurde keine Probe oder Aufführung verpasst, und das persönliche Repertoire in Bad Tölz reichte von „Rumpelstielzchen“ bis zu Tamino in „Die Zauberflöte“ (1995). Parallel schloss Bernhard Leismüller seine Ausbildung zum Floristen ab, bewarb sich aber hoffnungsvoll bei der Stadt für die Nachfolge der frei werdenden Theaterleitung. Den Zuschlag erhielt er nicht.

 

Der Traum vom eigenen Puppentheater

Wenn seine Ambitionen sich nicht in Bad Tölz verwirklichen ließen, wo dann? Die liebliche Bodensee-Region schien die richtige Wahl zu sein. Die erinnerte an die oberbayerische Heimat. Die Stadt Lindau zeigte sich der Idee aufgeschlossen, und das Stadttheater im Herzen der Insel bot die geeigneten Räumlichkeiten für den Spielbetrieb. Geplant war ein Probejahr. Mittlerweile sorgt die Marionettenoper seit 16 Jahren für eine Bereicherung nicht nur des lokalen Kulturlebens, wofür sie von der Art-Stiftung Plaas e.V. verdient mit einem Preis ausgezeichnet wurde.

Die Lindauer Marionettenoper: eine Erfolgsstory

Derzeit besteht die „Besetzung“ der Marionettenoper aus zirka 450 Puppen, alle gebaut, bemalt und angezogen von Bernhard Leismüller. Etwa 70 Stunden Tüftelei und Arbeit stecken in einer aus Lindenholz geschnitzten Marionette, Spielkreuz und Bekleidung inklusive. Und wer hätte gedacht, dass in so ein raffiniertes Damenkostüm mindestens ein Quadratmeter Material einfließt? Manche der prächtigen Stoffe findet er in der Region, andere bringt er aus dem Urlaub mit. Es kommen aber auch Spenden von Zuschauern.

Ausschließlich Opern, Operetten und Ballett gehören zum Repertoire der Marionettenoper. „Die Entführung aus dem Serail“ wurde 2000 bei der Eröffnung gespielt. Heute sind es Stücke wie „Die Zauber­flöte“, „Der Barbier von Sevilla“, „Hänsel und Gretel“, „Carmen“, „Cosi fan tutte“, „Die Fledermaus“, „La Traviata“, „Schwanensee“ und „Im Weißen Rössl“. Seit 2014 steht auf Wunsch des Publikums das Kinderstück „Der Riese Tunichtgut“ auf dem Spielplan: Figuren, Kulisse und Tonaufnahmen stellte die Stadt Bad Tölz zur Verfügung; fachgerecht restauriert wurden die Leihgaben in Lindau.

Mehr Infos: www.marionettenoper.de

 

Text: Christina Feyerke

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