Käse wie Konzertflügel – Bernard Antony

Bernard Antony - Käse

Das Sundgau liegt im äußersten Zipfel Frankreichs, direkt an der Grenze zu Deutschland. Doch wenn es um Käse geht, rückt es in den Mittelpunkt. Denn hier lebt und arbeitet­ Bernard Antony, der als bester Käse­veredler der Welt gilt. Eine Reise zu ihm und in die Genusswelt des französischen Käses.

Bernard Antony lächelt. Ihm gegenüber steht ein neuer Jünger, den es in dieses versteckte Nest im Südelsass gezogen hat. Wer einmal vom Meister persönlich beraten werden will, muss schon in seinen „Sundgaüer Käs-Kaller“ in Vieux-Ferrette kommen. Der Ort ist so etwas wie der heilige Gral des Käsegenusses. Denn Antony gilt gemeinhin als bester Affineur (Käseveredler) der Welt und folglich reifen hier die wahrscheinlich begehrtesten Käse der Welt heran. Die werden bisweilen mit dem Hubschrauber abgeholt, um den ganzen Globus verschifft und in den Spitzenrestaurants dieser Welt aufgetischt. Zu Antonys Kunden gehören das Japanische Kaiserhaus, Fürst Albert von Monaco­, um die 70 Sterneköche und nun auch ich.

Bernard Antony freut sich, wenn ein Gast seinen bescheidenen Laden betritt und sich verwundert die Augen reibt. „Viele Feinschmecker kennen meinen Namen und sind überrascht, wenn sie einen so kleinen Laden vorfinden“, erzählt Antony. Der Verkaufsraum besteht aus einer Vitrine mit vielleicht 80 Käsestücken und einem Regal, in dem ausgesuchte Köstlichkeiten wie selbstgemachte Konfitüre, Sauerteigbrot von der Pariser Boulangerie Poilâne und einige Weine angeboten werden. „Manchmal fragen mich die Leute, warum ich mein Geschäft nicht in Paris eröffne oder zumindest da, wo es mehr Laufkundschaft gibt. Aber wieso sollte ich? Eigentlich bin ich ganz froh, dass nicht so viele den Weg hierher finden“, gesteht er. „Dann habe ich mehr Ruhe für meine Arbeit.“


Seine Arbeit, man sollte besser Kunst sagen, besteht darin, hervorragenden, aber unreifen Käse aufzuspüren und diesen zu veredeln. Dazu lagert er ihn in seinen Affinage-Keller ein und lässt ihn bei genau kontrollierter Temperatur und Luftfeuchtigkeit reifen. Immer wieder muss er ihn wenden, damit sich eine gleichmäßige Rinde bildet. Je nach Sorte reibt ihn Antony mit Salzlake ab, bestreicht ihn mit Weißwein, Destillaten oder Kräutermischungen. Manche Käse erfahren durch das Auftragen von Asche den letzten Schliff. Wieder andere erhalten ihr Aroma von Schimmelpilzen, die sich auf ihnen bilden. „Käse lieben Gesellschaft“, erklärt Antony, „denn wenn die Käse dicht beieinander liegen, springen die Pilze leichter von einem Laib zum nächsten über.“ Gelagert wird der Käse meist auf Strohmatten, Holz oder Tannenrinde. Wann die optimale Reife erreicht ist, erkennt der Maître fromager am Geruch des Käses oder am Ton, wenn er vorsichtig auf den Laib klopft. Die Reifung nimmt schon mal zwei, drei Jahre in Anspruch. Erst wenn der perfekte Zustand erreicht ist, bietet ihn Antony zum Verzehr an. „Das wichtigste für meine Arbeit ist, dass das Ausgangsmaterial von hoher Qualität ist“, sagt er. „Nur dann kann man den Käse noch weiter verbessern.“ Für Antony heißt das, dass nur Käse in seine Obhut kommt, der in handwerklicher Produktion entsteht. Und selbstverständlich muss es Rohmilchkäse sein. Dessen Milch wurde zu keinem Zeitpunkt über 40 Grad erhitzt, so dass ihre natürlichen Mikroorganismen nicht abgetötet wurden. Pasteurisierte Milch wird auf bis zu 75 Grad erhitzt, ihr fehlt die wertvolle Flora, die für den Charakter eines Käses verantwortlich ist. Antony hat dafür einen anschaulichen Vergleich: „Der Unterschied zwischen Rohmilchkäse und Käse aus pasteurisierter Milch ist, wie wenn man den Klang eines Pianos mit dem eines Keyboards vergleicht.“
Hauptsächlich verkauft Antony französischen Käse, doch finden sich auch Sorten aus England und der Schweiz in seinem Angebot. Einen Lieblingskäse hat der Meister nicht. Kunden, die auf der Suche nach gutem Käse durch Frankreich touren, rät er allerdings in die Pyrenäen oder in die Auvergne zu fahren: „Da gibt es auch für mich noch Entdeckungen zu machen.“ Antony beliefert die Größen dieser Welt, doch vergisst er nicht, wer den Anfang der Kette bildet. „Wer handgemachten Käse kauft, unterstützt kleine Bauern und Käseproduzenten. Diese Menschen erfüllen mit ihrer Arbeit eine wichtige Funktion: sie pflegen neben der Landschaft auch unsere Tradition und Kultur.“

Aber nun stehe ich in seinem Käs-Kaller und kann mich nicht entscheiden. Lieber einen cremigen Vacherin de Mont d’Or oder einen würzigen Cantal? Oder mal Risiko eingehen und jenes gewittrige Etwas wählen, das rundum mit wucherndem, grün-grauen Schimmelflaum bedeckt ist? Um Zeit zu gewinnen, frage ich nach seinem Namen. Aber Antony erklärt: „Die Namen sind letztlich nicht so wichtig. Die Käse, die Sie hier sehen, sind Weiterentwicklungen, die Sie in der jeweiligen Region ohnehin so nicht bekommen. Viel wichtiger ist, dass man eine Auswahl zusammenstellt, die zur jeweiligen Situation passt.“ Ich erkläre also, die nächste Woche zusammen mit der Liebsten in die Berge zu fahren. Meister Antony ist in seinem Element. Flink stellt er ein Assortiment zusammen, etwas Morbier, ein schönes Stück Comté, drei Chèvres und einen Weichkäse. Ihnen allen gemeinsam ist, dass ihr Geschmack unendlich facettenreich ist und noch lange nachhallt. Wenn Antony Rohmilchkäse mit Klavieren vergleicht, dann sind seine Käse Konzertflügel.

sundgau

Adresse, Öffnungszeiten und Restaurants in Deutschland, die Antonys Käse servieren, können der Webseite www.fromagerieantony.fr entnommen werden.

Das Sundgau liegt im Dreiländerdreieck Frankreich, Deutschland, Schweiz, genauer im südlichen Elsass zwischen Rhein und Jura. Die anmutige Landschaft mit ihren sanften Hügeln, Fachwerkdörfern und Streuobstwiesen ist bisher von vielen Elsassreisenden unbeachtet geblieben.

Text: Benjamin Gruhn

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