Reisen – ein Nationalhobby

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„Und, Urlaub schon geplant?“ So beginnt jetzt wieder so manches­ Gespräch­ in der Mittagspause oder im Sportverein. Neues kennenzulernen und so den Alltag für ein paar Wochen hinter sich zu lassen, kann man inzwischen als ein bundesdeutsches Nationalhobby bezeichnen.

Kein Land gibt pro Kopf soviel auf Reisen im Ausland aus. Knapp 70 Mio. Urlaubsreisen kommen da jedes Jahr zusammen, 2/3 davon führen über die Grenzen. Trekking in Nepal, Reiten in Lesotho, Tauchen auf den Philippinen, Kreuzfahrten in der Antarktis oder Vogelbeobachtung auf Galapagos – das Angebot wird allen Ansprüchen gerecht und suggeriert eine Machbarkeit, die doch auch nur in Grenzen garantiert werden kann. Und die Reiseteilnehmer werden älter, wollen auch im Rentenalter viel erleben. Doch nicht nur der Urlaub ist ein Reiseanlass. Als Exportnation haben wir zahllose Projekte in den verschiedensten Ländern, die von Mitarbeitern in Deutschland geplant, montiert, betreut und gewartet werden müssen.

Reisen – nicht immer heilsam

Einmal abgesehen von Sicherheitsaspekten, die nur mit Ortskenntnissen und Umsicht angegangen werden können, sind es vielfach Sorgen vor Erkrankung unterwegs, die bei der Buchung mitschwingen und oft einfach damit abgetan werden, dass „das ja schon so viele gemacht haben“. Die Statistik aber weiß, dass über die Hälfte der Reisenden sich unterwegs krank fühlt und in die Reiseapotheke greift, dass 8% im Urlaub zum Arzt gehen und 2% unmittelbar nach Rückkehr arbeitsunfähig sind. Das sind normaler­weise­ keine Weltseuchen, sondern Durchfall, Fieber, Sonnenbrand und Verstauchungen. Dennoch fragt man sich, ob manches davon nicht vermeidbar wäre.

Prävention ist möglich

In den letzten 25 Jahren hat sich maßgeblich in Deutschland und der Schweiz, aber auch in den USA, Großbritannien, Österreich und anderen Ländern eine neue medizinische Disziplin etabliert: die Reisemedizin. Sie will feststellen, wen, je nach Reiseziel und -art, welche Krankheit trifft, diese Erkenntnisse vor allem vorbeugend nutzen und mit geeigneten Maßnahmen Urlaubsfreude retten – oder eben Arbeitstage im Falle dienstlich Reisender. Dazu muss eine qualifizierte, auf ärztlicher Fortbildung gegründete Beratung geleistet werden, in der es um sicheres Verhalten geht, was Lebensmittel, UV-Strahlung, Sicherheit oder Mückenschutz angeht. Die Liste der Themen variiert, je nach Ziel und Reiseerfahrung. Dann geht es um Impfungen, die einige wichtige reisebedingte Erkrankungen ausschalten können, und um Medikamente zum Beispiel gegen die Malaria, wenn es die im Zielgebiet gibt.
Es geht aber zunehmend auch um die Frage, wie sich das beim Reisenden bereits vorliegende Spektrum an chronischen Erkrankungen unterwegs verhalten wird. Was sagen Herz und Lunge zu 3500 m Höhe? Kann ich nach der Operation schon wieder ohne Thrombosespritzen fliegen? Kann ich Schwierigkeiten bekommen, wenn ich meine Opiat-Schmerzpflaster mitnehme? Wie wird sich mein Diabetes verhalten bei Zeitverschiebung und fremder Kost? Jetzt, wo ich von meinem Tumor weiß, will ich noch einmal meine Schwester in den USA besuchen. Was ist, wenn ich dort Behandlung brauche? Die Fragen sind unendlich vielfältig. Aber oft, nicht immer, gibt es eine hilfreiche Antwort, einen Rat oder einen Ansprechpartner für besondere Probleme. Es wird dabei schnell klar, dass es nicht um ein paar Klicks im Internet geht, sondern um eine sehr individuelle Leistung von reisemedizinisch fortgebildeten Ärzten. Das können Hausärzte sein, aber auch Gynäkologen, Arbeitsmediziner oder Pädiater.

Wie bekomme ich eine reisemedizinische Beratung?

Diese Ärzte findet man über Internet-Suchmaschinen wie reisemed-experten.de, fach­gesellschaft-reisemedizin.de, fit-for-travel.de und anderen, meist über Eingabe der Postleitzahl. Ist Ihr Arzt vielleicht schon dabei? Meist werden allgemeingültige Erstinformationen auch auf diesen Seiten gegeben, aber in den Impfausweis schauen oder Rezepte ausstellen können diese Seiten ja nicht. Jetzt müssen Sie nur noch anrufen und einen Termin vereinbaren, am besten 4-6 Wochen vor der Reise.
Im Prinzip ist die reisemedizinische Beratung von demjenigen zu zahlen, der auch die Reise zahlt, also dem Reisenden selbst oder dem Arbeitgeber. Dennoch ist vielen Krankenkassen inzwischen der Sinn der Sache so klar, dass sie diese Beratung und/oder die Impfungen für Urlaubsreisen freiwillig zahlen. Das ist eine Menge wert und kann auch einen Kassenwechsel begründen. Welche Kasse was übernimmt, kann man auf krankenkassen-experten.de nachsehen, wo zusätzlich sogar die Angaben für Privatversicherte stehen.
Die Reisemedizin ist damit auf einem Weg, den wir uns für die Medizin insgesamt wünschen. Vom „Reparaturbetrieb“ wollen wir hin zum Erkennen und Modifizieren von Risikofaktoren, um damit die Erkrankung als solche zu verhindern. So gesehen sind Reisemediziner auch keine „Spielverderber“, sondern Wegbereiter für eine sicherere Reise.

Kommen Sie gesund zurück! burkhard-rieke-1

 

Text:  Burkhard Rieke

 

Dr. Burkhard Rieke ist Tropen­- und Reise­mediziner in Düsseldorf und Vizepräsident der Deutschen Fachgesellschaft für Reisemedizin

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